Sehr geehrte Gemeinderatsmitglieder, sehr geehrter Herr OB Czisch,
am 4. November 1990 wurde Rafael Blumenstock auf dem Münsterplatz brutal ermordet. 2020 jährt sich die Tat zum 30. Mal. Bis heute konnten die Täter und ihre Motive nicht ermittelt werden. Doch gibt es deutliche Hinweise darauf, dass es sich um einen schwulenfeindlichen und rechten Mord handelt. Rafael Blumenstock wurde getötet, weil er anders war.
Rafael schminkte sich gelegentlich, trug „Frauenkleider“, war links und sprach fremde Leute nach dem Namen oder der Telefonnummer an. Viele hielten ihn wohl deswegen für schwul. Doch das heißt auf keinen Fall, dass Rafael Blumenstock auch nur einen Funken an Mitschuld an dem Mord trägt.
Neben der Außenwahrnehmung von Rafael Blumenstock spricht auch der besonders brutale Mord für ein Hassverbrechen und es gab Hinweise auf Nazis am Tatort. Zudem gab es zu der Zeit in Ulm eine große Präsenz von Nazis sowie viele Gewalttaten, die dokumentiert sind. Auch gab es viele Angriffe auf vermeintlich Schwule in ganz Deutschland sowie in Ulm. Hier herrschte eine schwulenfeindliche Stimmung.
Eine wirkliche Aufarbeitung der Umstände hat es nie gegeben. Die Täter sind bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Und die Erinnerung an diese Tat verblasst zunehmend.
Deswegen fordern wir ein neues Mahnmal für Rafael Blumenstock, da das alte kaum sichtbar und beschädigt ist und es viel mehr für das Vergessen des Mordes als für die Erinnerung daran steht. Einen Vorschlag, wie das aussehen kann gab es bereits 1992 von verschiedenen Gruppen: Ein offener Kubus.
Außerdem fordern wir die Einstufung des Mordes als Verdachtsfall rechter Gewalt und eine Veröffentlichung der Informationen damaliger Ermittlungen zu Nazistrukturen sowie eine Untersuchung zu personellen und strukturellen Kontinuitäten der Naziszene von der NS-Zeit bis in die 1990er Jahre und bis heute. Dies könnte eine Aufarbeitung in der Stadt erleichtern und auch Handlungsmöglichkeiten gegen rechte Akteure und Akteurinnen stärken.
Grüne Jugend Ulm/Neu-Ulm/Alb-Donau
Jusos Ulm
Kollektiv.26 – Autonome Gruppe Ulm
Mein Ich gegen Rassismus
Young and Queer Ulm e.V.Ulm, 4.11.2020
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,
wir, ein Zusammenschluss von mehreren Organisationen aus Ulm, haben mit großem Bestürzen festgestellt, dass sich viele Gemeinderät*innen gegen die Umbenennung der M-Gasse aussprechen.
Wir wissen, dass laut dem Ulmer Stadtarchiv die Gasse diesen Namen nach der Gaststätte „Zu den M*“ abgeleitet wurde, die sich wiederrum bei diesem Namen vermutlich von der Mohrenapotheke hat inspirieren lassen, die bereits 1558 vor der deutschen Kolonialzeit bestand.
Die historischen Wurzeln der Belegung des Wortes reichen bereits bis ins 8. Jahrhundert zurück und bezeichnete zunächst Bewohner*innen des antiken und mittelalterlichen Nordafrikas. Aber auch schon verallgemeinert wurde dieser Begriff für Menschen mit dunkler Hautfarbe seit dem 16. Jahrhundert verwendet.
Das Wort geht sowohl auf das lateinische „maurus“ zurück, das für „dunkel“, „schwarz“ und „afrikanisch“ steht, als auch auf das griechische „moros“, was etwa „töricht“ und „dumm“ bedeutet.
Jedoch ist das Wort heutzutage laut Kommunikationsexpert*innen eindeutig negativ konnotiert und kann als Diskriminierung und rassistischer Ausdruck eingeordnet werden. Wichtig für diese Einordnung ist, wie er verwendet wurde. Ab dem 11. Jahrhundert wurde der Begriff „Hellmöhr“ für den Teufel verwendet. Der Begriff „M.-Wäsche“ wurde lange Zeit verwendet, wenn eine offensichtlich schuldige Person mit fadenscheinigen Beweisen „reingewaschen“ wurde.
In Angesicht dieser sprachgeschichtlichen Entwicklungen und unserer deutschen Kolonialgeschichte, so wird deutlich, dass in diesem Wort unter anderem der historische Ballast von Schuld, Hölle und Versklavung steckt.
Der Begriff war schon immer eine Fremdbezeichnung und reproduziert unweigerlich in uns allen rassistische Stereotypen, da wir in unserer Gesellschaft nach einem eurozentrisches Weltbild geprägt sind.
Schließlich wurden das M-Wort und das N-Wort als Synonyme verwendet: Für Menschen, die dazu da seien, Weißen Menschen zu dienen. Davon haben sich diese Begriffe nie emanzipiert.
Wir können uns in einer Stadt nicht wohlfühlen, die sich internationale Stadt nennt und gleichzeitig die Stimme von BPoC (Black People of Color) ignoriert und nicht respektiert. Ein zu sehr großen Teilen mehrheitlich weißer Gemeinderat, der von Rassismus und Diskriminierung nicht betroffen ist, überhört die Stimmen von BPoC, die sich in letzter Zeit an die Öffentlichkeit getraut haben und die Aufarbeitung fordern. Bei den „Black lives matter“-Demos in Ulm hat sich gezeigt wie viele BPoC und „allies“ (aktive Verbündete) in Ulm leben.
Wenn Menschen mit Rassimus- und Diskriminierungserfahrung Dinge als rassistisch einordnen, dann müssen Menschen, die diese Erfahrungen aufgrund ihres Aussehens nie machen werden, entsprechende Forderungen respektieren.
Wir wissen, dass eine solche Maßnahme das rassistische Gedankengut, das in unserer Gesellschaft existiert, nicht wett machen wird. Aber es ist ein Puzzleteil, das dazu gehört um Rassismus gesellschaftlich aufzuarbeiten und zu verlernen. Wir wollen auf unserer Stadtkarte und in unserem Stadtbild eine solch rassistische Bezeichnung nicht sehen.
Wieso klammert man sich an Traditionen, die rassistische Stereotype unterstützen? Wir sollten lieber an neuem weltoffenem Erbe arbeiten. Letztendlich stehen wir als Gesellschaft vor der Frage welche Bedeutung schwarze Leben für uns haben.
Jede undeutliche oder inkonsequente Haltung gegen Rassismus, ist automatisch eine Position. Und zwar eine solche, die nicht antirassistisch sein kann.
Antirassismus bedeutet nicht nur über Rassismus selbst zu sprechen, sondern in allen politischen Bereichen rassismuskritische Perspektiven zu berücksichtigen und damit Intersektionalitäten sichtbar zu machen.
Deshalb fordern wir Sie auf, die Forderungen von Betroffenen in den Fokus zu stellen und die M-Gasse umzubenennen, damit wir uns alle in Ulm zuhause fühlen können.
Mit freundlichen Grüßen
Earthlings Ulm, GRÜNE JUGEND Ulm, Jusos Ulm, Kollektiv.26 und Mein “ICH“ gegen Rassismus
Bei den Jusos kommen junge Menschen im Alter zwischen 14 und 35 Jahren zusammen, die sich politisch engagieren wollen und die Werte von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität teilen. Sie sind Teil der SPD und wollen jungen Menschen eine Stimme in der Politik geben.
Auch in Ulm sind die Jusos aktiv und stellen sich heute in der Sendung vor. Dafür ist Clemens Kamm zu Gast. Er ist Vorsitzender der Jusos Ulm, Softwareentwickler und 28 Jahre alt.
Wir werden mit ihm über politisches Engagement in Zeiten von Corona reden, über die Black-Lives-Matter Bewegung.
Aufzeichnung war am 15.Juni 2020
21.05.2024, 19:00 Uhr - 21:00 Uhr Jusos Ulm - Sitzung
22.05.2024, 19:00 Uhr - 21:00 Uhr Kommunalwahl - Podiumsdiskussion
04.06.2024, 19:00 Uhr - 21:00 Uhr Jusos Ulm - Sitzung