Jusos Ulm

Solidarisch in Ulm

Niemand flieht aus Übermut

Veröffentlicht am 18.09.2008 in Pressemitteilungen

Folter und Erpressung. Krankheit und Hunger. Bürgerkrieg und Chaos. Vor all diesem fliehen Menschen aus ihrem Heimatland und kommen nach Spanien, Griechenland oder auch Deutschland, weil sie auf ein besseres, ein menschenwürdigeres Leben hoffen. Keiner möchte diese Menschen wirklich in ihr altes Leben zurückschicken. Gleichzeitig sorgt sich jeder darum, ob für ihn selbst noch genug Geld im staatlichen Geldbeutel bleiben wird, wenn daraus auch die Aufnahme der Flüchtlinge finanziert wird. Wie ist der Spagat zwischen diesen beiden Denkmustern zu schaffen? Darüber diskutierten die Ulmer Jusos mit Prof. Dr. Dieter Lang und Reinhart Müller vom Flüchtlingsrat Ulm.

140 Flüchtlinge aus 14 Nationen leben momentan im Asylbewerberheim in Ulm. Die Mitglieder des Ulmer Flüchtlingsrates betreuen sie, stehen ihnen mit rechtlichem Rat zur Seite und helfen bei gesundheitlichen Problemen. Sie begleiten täglich die Flüchtlinge in ihrer schwierigen Lebenslage und konnten so am gestrigen Abend den Jusos anschaulich berichten, was es bedeutet, Flüchtling zu sein. So erklärten sie, dass in Deutschland nur sehr wenigen Flüchtigen Asyl gewährt würde. Die meisten Flüchtlinge seien hier nur geduldet und lebten so in der ständigen Angst, bald abgeschoben zu werden. Eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung sei nur sehr schwer zu bekommen, weil dazu nachgewiesen werden müsse, dass der Flüchtling sich seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann, während es für ihn nahezu unmöglich sei, hier Arbeit zu finden. Neben diesen individuellen Problemen seien, so die Vertreter des Flüchtlingsrates, die großen Unterschiede zwischen den Asylverfahren der einzelnen EU-Staaten ein großes Problem für die einzelnen Nationen, sowie für die Flüchtlinge selbst: Nach der Bestimmung Dublin II muss ein Flüchtiger in dem Land Asyl beantragen, in dem er angekommen ist. Dies, so die Jungsozialisten, bedeute nicht nur eine ungleiche Verteilung der Belastungen, die die Gewährung von Asyl mit sich bringt, sondern hindere gleichzeitig die Flüchtlinge daran, in ein Land überzusiedeln, wo sie schon Familie oder Freunde haben. Hier sei eine gemeinschaftliche Regelung vonnöten.
Auch wurde ganz generell darüber diskutiert, wie viele Flüchtlinge man aufzunehmen bereit sei und welche Gründe für eine Flucht anerkannt werden sollten. Zwar sei, so die Jusos, Rücksicht darauf zu nehmen, dass die bisherige Gesellschaft und ihre Volkswirtschaft den Flüchtlingsstrom verkraften könnten, jedoch müsse man vor allem im Hinblick auf den drohenden Klimawandel, der eine gewaltige Abwanderung aus den Küstenregionen mit sich bringen werde, auch weiterhin bereit sein, Flüchtige dauerhaft aufzunehmen. Reinhart Müller vom Ulmer Flüchtlingsrat äußerte sogar den Wunsch, die Erde mehr und mehr als Gemeinschaftseigentum zu verstehen und daher prinzipiell jeden an jedem Ort aufzunehmen. Solange diese Vision jedoch noch nicht von allen geteilt werde, so war man sich am Ende einig, müsse verstärkt darüber informiert werden, aus welchen Gründen und unter welchen Umständen die flüchtigen Menschen nach Deutschland kämen. Nur so könne Intoleranz und unbegründeten Ängsten Vorschub geleistet werden. Schließlich „flieht niemand aus Übermut“, wie es auf dem Flyer des Ulmer Flüchtlingsrates heißt.